Seltene Erden Metalle: zwischen Panik und Realität, von Prof. Dr. Thomas Utter

Prof. Dr. Thomas Utter, Zaruma Resources

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China macht die Grenzen zu: „Exportbeschränkung auf High-Tech Metalle, wie Seltene Erden“ oder „Handelskrieg und Preisexplosion um Seltene Erden“. Derartige Meldungen haben in jüngster Zeit die interessierte Öffentlichkeit und auch die Politik aufgeschreckt.

Einige Fakten zu den Selten Erden Metallen (SEE). Es handelt sich hierbei um eine Gruppe metallischer Elemente mit ähnlichen geologischen und chemisch-physikalische Eigenschaften. Die Namen der SEE lesen sich wie die von Extraterrestrischen aus einem Sciencefiction-Buch. Aufgrund ihrer Stellung im Periodensystem der chemischen Elemente werden „leichte“ SEE wie: Scandium, Yttrium, Lanthan, Cer, Praseodym, Neodym, Promethium und Smarium von „schweren“ SEE wie: Europium, Gadolinium, Terbium, Dysprosium, Holmium, Erbium, Thulium, Ytterbium und Lutetium unterschieden.

In der Natur kommen die SEE nicht als eigenständige Phasen oder Mineralien vor, sie sind vielmehr an eine Reihe spezifischer Mineralien, hauptsachlich Monazit (ein SEE-Phosphatmineral) oder Bastnäsit (ein SEE-Karbonatmineral) gebunden. In diesen und ähnlichen Mineralien kommen die SEE im Kristallgitter versteckt vor, müssen daher durch komplexe physiochemische Verfahren wie Ionen-Austausch, fraktionierte Kristallisation und Lösungsmittelextraktion, im Klartext: aufwendige, energieintensive und kostenspielige Prozesse aus Konzentraten dieser Mineralien gelöst und in handelsbaren SEE-Oxide oder Metalle überführt werden.

Genauso exotisch wie die Namen, ist auch die geologische Herkunft und Entstehung von SEE-Lagerstätten. Die wichtigsten Vorkommen von SEE sind an sogenannte Karbonatit-Vulkanschlote gebunden, die durch explosionsartige Eruptionen sehr Kalzium-reiches Magma entlang tiefreichender Verwerfungen aus dem oberen Erdmantel in die Erdkruste förderten. Daneben treten gelegentlich im Gefolge einiger Uran-Vorkommen wirtschaftlich interessante Bastnäsit- und Monazit-Anreicherungen auf. Typische Wirtsgesteine sind hierbei Granite und Pegamtit-Gänge, die durch Aufschmelzen von unter hohe Drücke und Temperaturen geratene Gesteinspakete und deren Wiedererstarren in der oberen Erdkruste sich gebildet haben. Neben diesen geologisch gängigen SEE-Vorkommen schlummert ein erhebliches Potential an SEE in den Schwermineral-Strandsanden an den Ostküsten Australiens und Süd-Afrikas.

Bereits während des 2. Weltkriegs benutzte man die einzigartigen Eigenschaften einiger SEE zur Herstellung von Leuchtspur-Munition. In den USA und der westlichen Welt stellte die Lagerstätte Mountain Pass, unweit von Las Vegas, die einzige SEE-Quelle schlechthin dar.

Nicht ganz, den ebenfalls in den 40iger Jahren des letzten Jahrhunderts und ebenfalls aus militärisch-strategischen Gründen wurde versucht, aus dem in Deutschland einzigartigem Karbonatit-Vulkankomplex, dem Kaiserstuhl bei Freiburg in Baden, SEE zu gewinnen.

Mit dem Einzug des Farbfernsehers in den 1960ier Jahren war Mountain Pass die Quelle in der westlichen Welt für SEE schlechthin, insbesondere für Europium, wichtiges Metall als roter Leuchtstoff auf Farbkathoden-Röhren. Während des Kalten Krieges wurden Informationen über Mountain Pass gehütet wie ein Staatsgeheimnis ersten Ranges.

Während anfangs der 1950iger Jahre die Nachfrage nach SEE kaum 1.000 Tonnen pro Jahr überschritt, fand in der jüngsten Vergangenheit eine enorme Nachfrage-Explosion statt. Heute wird der jährliche Verbrauch auf 140.000 Tonnen geschätzt, Tendenz um 10% im Jahr steigend. Denn, SEE wurden zu einer einzigartigen Wundertüte in unserer High Tech Welt. Rund 35%-40% des SEE Verbrauchs gehen in Metall-Legierungen, in Katalysatoren, Schleif-und Poliermittel für Spezialgläser. Mehr als 60% des SEE-Verbrauchs geht aber in leichte und hochleistungsfähige Permanent-Magnete, in Leuchtstoffe in Plasma und LCD-Bildschirme, Energiesparlampen oder Radargeräte. Kein Mobil-Telefon, Glasfaser und Laser-Optik und schon gar nicht die zukünftigen umweltfreundlichen Hybrid- oder gar Elektro-Automobile kommen ohne SEE-Supermagnete nicht aus, einmal abgesehen von einer so bodenständigen Anwendung von Cer-Mischmetall als Feuersteine in Feuerzeugen.

Heute deckt China rund 95% der weltweiten SEE-Nachfrage. Mit Bayan Obo, in der Provinz der Inneren Mongolei gelegen, hat China eine der größten bekannten SEE-Lagerstätte der Welt. Die Erz-Ressourcen werden mit 40 Millionen Tonnen mit einem mittleren SEE-Gehalt von 5% angegeben. Geologische betrachtet ist Bayan Obo ansich ein Eisenerz-Vorkommen mit eisenhaltigen Tonschiefern und Dolomiten, in die sich karbonatitische Lagen mit sehr feinkörnigen SEE-Mineralien eingeschaltet haben. Die lokale Mär spricht davon, daß man ansich zufällig auf den SEE-Reichtum gestoßen ist. Das Eisenerz wird seit gut einem halben Jahrhundert abgebaut und in den Baotou-Stahlwerken südlich von Bayan Obo verarbeitet. Dabei stolperte man über Stähle mit „komischen“ magnetischen Eigenschaften, die sich bei genauerer Untersuchung aus Beimengungen an SEE erklären ließen.

China verbraucht als wichtiger Produzent von Flachbildschirmen, Mobiltelefonen und Energiespeichern mehr als die Hälfte seiner SEE-Produktion im eigenen Land. Daneben hat das Reich der Mitte seine momentane Monopol-Stellung dazu benutzt, den Markt kräftig aufzurütteln. Drastische Ausfuhrbeschränkungen werden die SEE-Exporte aus China von 60.000 Tonnen im Jahr 2009 auf knapp unter 40.000 Tonnen in diesem Jahr fallen lassen. Aufgrund dieser Marktbeeinflussung sind die SEE Preise jüngst wahrlich explodiert (Beispiele):

Preise in US$/kg FOB China für Oxide

2007 2008 2009 Nov.2010

Lanthan 3,40 8,70 4.90 58.00

Cer 3,00 4,50 3,80 60,00

Neodym 30,20 32,00 19,10 82,00

Praseodym 29,00 29.50 18,00 78,00

Samarium 3,60 5,20 3.40 32,80

Dysprosium 89,10 118,50 115,60 286,00

Europium 323,90 481,92 492,92 605,00

Terbium 590,40 720,70 361,60 615,00

Sei es nun der historische Streit mit Japan um die Hoheit der Senkaku-Inseln oder geht es um Zölle und andere Handelsquoten mit denen China seine SEE Export-Einschränkungen in die Waagschale wirft, dies sind nur vordergründige politische Argumente. Es scheint dem Reich der Mitte eher darum zugehen, daß die Fertigung von High-Tech Geräten und Komponenten in noch stärkerem Maße im Land erfolgt. Daß China seine momentane Monopolstellung auf dem SEE-Sektor zu massiveren Handelserpressungen der westlichen Industrienationen, Japan oder Indien ausnutzt, ist unwahrscheinlich. China braucht den Exportmarkt und ist daran interessiert, sein Image als verläßlicher Handelspartner und Industriestandort zu festigen.

Die Monopolstellung steht nicht im Einklang mit dem Anteil Chinas an den wahrscheinlichen, weltweiten, geologischen SEE-Ressourcen. Mit 40% hat China nicht gerade eine Dominanz was geologische Ressourcen betrifft und die mit den selber verursachten momentan hohen Preisen schneidet sich das Land der Mitte ins eigene Fleisch.

Der politische Wind um SEE und die hohen Preise haben nicht nur geologische Staatsdienste aufgeweckt, sondern haben das Interesse etlicher Explorations-Firmen, Venture-Kapitalisten, Anleger, Bergbau-Firmen und einiger Endverarbeiter geradezu explodieren lassen.

Laut Gareth Hatch von Technology Metals Research (TMR) wurden bis November 2010 in der TMR Datenbank 251 SEE-Projekte außerhalb Chinas erfaßt, die von 165 Gesellschaften über 24 Lander verteilt, gehalten werden. Darunter wurden 13 Projekte identifiziert, die entweder in der Vergangenheit SEE abgebaut haben oder die nach den Standards etablierter Börsen über SEE-Erzressourcen berichtet haben. Hervorzuheben sind hier die zwei wichtigsten SEE-Projekte, die sich heute in Wirtschaftlichkeit und Potential mit den chinesischen SEE-Quellen messen können: Mountain Pass (USA) und Mount Weld (Australien).

Mountain Pass war über ein halbes Jahrhundert in Produktion, als das Projekt 2002 wegen schwacher SEE-Preise und deutlich stringenteren Umweltauflagen des Bundesstaats Kalifornien stillgelegt wurde. 2008 begann der frühere und heute umstrukturierte Betreiber Molycorp Inc. (NYSE:MCP) das Projekt zu reaktivieren und mit einer halben Milliarden US Dollar Anfangsfinanzierung wieder zum Leben zu erwecken. Mit vermuteten Erzressourcen von mindesten 20 Millionen Tonnen mit einem mittleren SEE-Gehalt von 9,5% SEE hat der Mountain Pass Karbonatit das Potential den Löwenanteil des SEE-Bedarfs der USA zu decken. Mountain Pass wird in diesem Jahr rund 3.000 Tonnen SEE aus der Verarbeitung alter Erzhalden generieren und bis Ende 2012 soll die Produktion in einer ersten Stufe auf 20.000 Tonnen hochgefahren werden. Mit dem Chemie-Giganten WR Grace & Co hat Molycorp einen wichtigen Verarbeiter und Abnehmer ins Boot genommen.

Die Mount Weld Lagerstätte in West-Australien wird zu den reichsten SEE-Vorkommen der Welt gezählt. Auf und in diesem Karbonatit-Schlot wurden bisher 17,4 Millionen Tonnen Erzressourcen mit einem mittleren Gehalt von 8,1% SEE nachgewiesen. Das heißt, diese Lagerstätte hat einen SEE-Inhalt von mindestens 1,4 Millionen Tonnen, dies entspräche 10 Jahre der heutigen SEE-Nachfrage. Der Betreiber Lynas Corporation Ltd. (ASX:LYC, PK:LYSCF) hat bereits 773.000 Tonnen hochgradiges Erz mit einem mittleren Gehalt von 15 % SEE Oxiden abgebaut. Die Weiterverrabeitung der Konzentrate soll über ein eigens bei Kuantan in Malaysia in Bau befindlichem Werk stattfinden. Die Jahresproduktion soll ab 2011 mit dem Ausstoß von 10,000 Tonnen SEE-Oxiden beginnen. Lynas hat bereits mit einem japanischen Handelshaus die jährliche Lieferung von 9.000 Tonnen SEE vereinbart. Interessant ist, daß das staatliche chinesische Rohstoff-Unternehmen, die „China Non Ferrous Metal Mining“ Gruppe im letzten Jahr versucht hat, mit 250 Millionen australische Dollar sich in die Lynas einzukaufen. Die australischen Behörden unterbanden diesen Versuch.

Zu den weiteren SEE-Projekten mit ausgewiesen Erz-Ressourcen zählen:

– Bear Lodge – Wyoming, USA, der Rare Element Resources Ltd. (TSX.V:RES, AMEX:REE);

– Dubbo – New South Wales, Australien, der Alkane Resources Ltd. (ASX:ALK, PK:ALKEF);

– Hoidas Lake – Saskatchewan, Kanada, der Great Western Minerals Group Ltd. (TSX.V:GWG, OTCBB:GWMGF);

– Kutessay – Chui, Kyrgyzstan der Stans Energy Corp. (TSX.V:RUU);

– Kvanefjeld – Kujalleq, Groenland, der Greenland Minerals and Energy Ltd. (ASX:GGG, PK:GDLNF);

– Nechalacho (Thor Lake) – Northwest Territories, Kanada, der Avalon Rare Metals Inc. (TSX:AVL; OTCQX:AVARF);

– Nolans Bore – Northern Territory, Australien, der Arafura Resources Ltd. (ASX:ARU, PK:ARAFF);

– Steenkampskraal – Western Cape, Süd-Afrika, der Great Western Minerals Group Ltd. (TSX.V:GWG, OTCBB:GWMGF) zusammen mit Rare Earth Extraction Co;

– Strange Lake – Quebec, Kanada, der Quest Rare Minerals Ltd. (TSX.V:QRM);

– Zandkopsdrift – Northern Cape, Süd-Afrika der Frontier Rare Earths Ltd. (TSX:FRO);

– Zeus (Kipawa) – Quebec, Kanada, der Matamec Explorations Inc. (TSX.V:MAT, PK:MTCEF).

Die Abschätzung der Werthaltigkeit einzelner SEE-Lagerstätten ist komplex und hängt vom jeweiligen spezifischem SEE-Inhalt ab. Einige SEE kommen in diesen Lagerstätten weniger angereicht vor als andere. Daher spricht man von „kritischen SEE“ (Beispiel Neodym, Europium, Terbium, Dysprosium, Erbium und Yttrium) deren zukünftige Nachfrage unter Umständen höher ist als das mögliche Angebot und von „ausreichenden SEE“ (Cer, Holium, Thullium, Ytterbium, Lutetium), die wahrscheinlich in genügend großen Mengen auf alle Fälle beim Verarbeiten von SEE-Erz generiert werden. Da es zwischen einzelnen Lagerstätten deutliche Unterschiede in der SEE-Verteilung kommt, können Vorkommen wie Kutessay, Strange Lake, Zeus, Dubbo oder Nechalacho mit einem proportional hohen Anteil an „kritischen“ SEE, in der Zukunft wichtiger werden als Mountain Pass oder Mount Weld.

Die weitere Entwicklung der Produzenten-Seite ist allergings vom zukünftigen Markt-Preis abhängig. Geht man davon aus, daß der im Boden liegende Wert aller bekannten SEE-Vorkommen zu heutigen Preisen auf über 100 Milliarden US Dollar geschätzt wird, sind diesem Wert allerdings die Kosten gegenüberzustellen. Enorme Kapitalkosten, die sehr hohen operativen Gewinnungskosten und die Tatsache, daß teilweise bis zu 40% des SEE-Inhalts im Erz gar nicht aufgeschlossen werden können, geben den meisten SEE-Projekten ein hohes Risikoprofil.

Bei selbst nur stagnierenden, nichtzuschweigen fallenden SEE-Preisen, werden etliche geplane Projekte und im Boden liegende Ressourcen unrentabel oder nicht finanzierbar. Die heute hochfliegenden Aktienkurse einiger SEE-Explorer laufen Gefahr, wie Seifenblasen zu platzen. Die heutigen SEE-Preise sind durch die momentane Marktbeherrschung der Chinesen in die Höhe getrieben worden. Theoretisch könnte China auch SEE-Metalle zu gedrückten Preisen auf den Markt werfen. Dies würde vielen SEE-Explorationsgesellschaften Kopfschmerzen bereiten. Bereits in der Krisenzeit 2008/09 haben auch die meisten SEE preislich deutlich Federn gelassen.

Das US Verteidigungsministerium ist in einer jüngsten Studie zum Schluß gekommen, daß das momentane chinesische Monopol auf dem SEE-Markt für die USA keine strategisch-wirtschaftliche Gefahr darstellt. Es wurde weiterhin vermerkt, daß die hohen Preise und Versorgungsunsicherheiten private Unternehmen anspornen werden, neue Projekte außerhalb Chinas zu entwickeln.

Die momentan angespannte Situation auf dem SEE-Markt kann sich noch kurzfristig verschärfen, bevor neue Quellen eine Entspannung einleiten. Allerdings sind die Mengen an SEE, die in High Tech Geräte, in Supermagnete und Zukunftstechnologien eingehen, obwohl technologisch fast unabdingbar und kaum substituierbar, doch relativ gering, sodaß sich hohe SEE-Preise nur gering auf die Kosten oder Preise dieser Produkte niederschlagen sollten. Selbst wenn der Preis des Metalls Cer sich nochmal verzehnfacht, wird ein simples Feuerzeug trotzdem kaum im Preis steigen.

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